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Behandlung der multiresistenten Tuberkulose in Europa: Die Ressourcen sind ungleich verteilt.
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- 09.03.2018

Die weltweite Zunahme von Patienten, die von einer Tuberkulose betroffen sind, ist alarmierend. Besonders besorgniserregend ist die Zunahme von Tuberkuloseerkrankungen, bei denen die Erreger gegen die wirksamsten Medikamente resistent sind, sog. multiresistente Tuberkulose (MDR-TB). Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Anzahl der Patienten, die mit einer MDR-TB diagnostiziert werden in den vergangenen 5 Jahren durchschnittlich um 20 % pro Jahr zugenommen. Die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung der MDR-TB betragen den WHO Angaben entsprechend international nur etwa 50%
Ärzte und Forscher der „Tuberculosis Network European Trialsgroup“(TBNET) unter Leitung des Forschungszentrums Borstel - Leibniz Lungenzentrum und Standort des klinischen Tuberkulose Schwerpunkts im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF e.V.) widmen sich seit mehr als einem Jahrzehnt den Ursachen für die schlechten Behandlungsergebnisse der MDR-TB in Europa. In einer aktuellen Studie (Günther G et al. Am J Respir Crit Care Med 2018) konnten sie erstmalig deutliche Unterschiede in der Versorgung von Patienten mit einer MDR-TB innerhalb Europas zeigen. In den sog. Hochinzidenzländern Osteuropas sind sehr viele Patienten von einer MDR-TB betroffen. Jedoch müssen Patienten in Länder wie z.B. Weißrussland und Moldawien 2 Monate länger auf ihre Therapie warten als dies in Westeuropa der Fall ist. Während die Behandlung in Westeuropa in der Regel an die Ergebnisse einer Antibiotikaresistenzprüfung individuell angepasst wird, erhalten Patienten in Moldawien oder Weißrussland noch häufig eine feste Standardtherapie, in der vielfach Teile der Medikamente schon wirkungslos sind. Hinzu kommt, dass unter einer Standardtherapie neue zusätzliche Antibiotikaresistenzen viermal häufiger auftreten als unter einer individuell abgestimmten Therapie, die schon vorhandene Resistenzen berücksichtigt. Das Risiko, an einer MDR-TB zu versterben war in den Hochinzidenzländern Osteuropas 5-mal so hoch, als in Westeuropa.
Jedoch hielt diese Studie eine Überraschung bereit:
Nach Auswertung der Daten schienen die Heilungschancen für Patienten mit einer MDR-TB in den Hochinzidenzländern Osteuropas viermal besser zu sein, als im Westen. „Das liegt einzig an der Definition für Heilung, welche von der WHO verwendet wird“ erklärt Professor Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel, Leiter der TBNET Studie. „Die Kriterien, welche die WHO für eine Heilung von einer MDR-TB heranzieht, werden am letzten Tag der Therapie abgefragt. Das ist etwa so, als wenn man einem Patienten mit einer Krebserkrankung am letzten Tag der Chemotherapie mitteilt er sei geheilt, ohne das Risiko eines Rezidivs zu beachten“, so Lange. Gemeinsam mit Dr. Gunar Günther vom Forschungszentrum Borstel und Kolleginnen und Kollegen an 23 Kliniken in 16 europäischen Ländern wurden die Behandlungsverläufe von 380 Patientinnen und Patienten mit einer MDR-TB vom Zeitpunkt der Diagnosestellung bis ein Jahr nach Therapieende verfolgt. Die Wissenschaftler stellten danach neue Definitionen für Therapieergebnisse auf und konnten zeigen, dass die tatsächlichen Chancen von einer MDR-TB geheilt zu werden in ganz Europa deutlich besser sind, als bisher angenommen (Lange C et al. Lancet Respir Med 2018)
Allerdings versagt die Therapie bei 25% der Patienten in Osteuropa, in Westeuropa sind es nur 15%. „Die Unterschiede in der Versorgung von Tuberkulosepatienten sind innerhalb Europas gravierend. Die am meisten betroffenen Länder haben die geringsten Ressourcen für die Prävention, Diagnostik und Therapie“, sagt Lange. „Hier gibt es konkreten Handlungsbedarf den Europäischen Nachbarn zu helfen“.
Dabei ist die MDR-TB mit modernen Mitteln und Ressourcen gut zu behandeln. Klinische Forscher des Tuberkulose Schwerpunkts am DZIF konnten kürzlich zeigen, dass sich die Heilungschancen von Patienten mit einer MDR-TB unter individualisierter Therapie aktuell nicht mehr von den Patienten unterscheiden, bei denen die Tuberkulosebakterien keine Antibiotikaresistenzen aufweisen (Heyckendorf J et al. Eur Respir J 2018).
Referenz
Günther G, van Leth F, Alexandru S, Altet N, Avsar K, Bang D, Barbuta R, Bothamley G, Ciobanu A, Crudu V, Danilovits M, Dedicoat M, Duarte R, Gualano G, Kunst H, de Lange W, Leimane V, Magis-Escurra C, McLaughlin AM, Muylle I, Polcová V, Popa C, Rudolf Rumetshofer, Skrahina A, Solodovnikova V, Spinu V, Tiberi S, Viiklepp P, Lange C. Clinical management of multidrug-resistant tuberculosis in 16 European countries. Am J Respir Crit Care Med. 2018 Mar 6. doi: 10.1164/rccm.201710-2141OC. [Epub ahead of print]
Lange C, van Leth F, Mitnick CD, Dheda K, Günther G. Time to revise the WHO recommended definitions of MDR-TB treatment outcomes . Lancet Respir Med 2018 (in press)
Heyckendorf J, van Leth F, Kalsdorf B, Olaru ID, Günther G, Salzer HJF, Terhalle E, Rolling TE, Glattki G, Müller M, Schuhmann M, Avsar K, Lange C. Relapse-free cure from multidrug-resistant tuberculosis in Germany. Eur Respir J. 2018 Feb 21;51(2). pii: 1702122. doi: 10.1183/13993003.02122-2017.
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Lange
Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum
Schwerpunkt Tuberkulose am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung e.V.
Parkallee 35
23845 Borstel
Telefon: 04537/188 3320
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