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22.12.2025

Erhöhtes Tuberkuloserisiko nach Organtransplantationen in Europa

    Eine europäische Multicenter-Studie zeigt, dass Empfängerinnen und Empfänger solider Organtransplantate (SOT) auch in Ländern mit niedriger bis mittlerer Tuberkuloseinzidenz ein deutlich erhöhtes Tuberkuloserisiko haben. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit differenzierter, regional angepasster Strategien zur Prävention der Erkrankung.

    Für diese Kohortenstudie wurden mehr als 5800 erwachsene Transplantatempfängerinnen und -empfänger aus 15 Transplantationszentren in acht europäischen Ländern durch Forscherinnen und Forscher der Tuberculosis Network European Trials Group (TBnet) untersucht. TBnet ist eine gemeinnützige Nichtregierungsorganisation zur Forschung auf dem Gebiet der Tuberkulose mit Sitz am Forschungszentrum Borstel.

    In dieser Studie traten 23 bestätigte Tuberkulosefälle auf, was einer Inzidenz von 68 Fällen pro 100.000 Personenjahre entspricht – rund sechsmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Besonders ausgeprägt war das Risiko in Südeuropa: Dort lag die Tuberkuloseinzidenz bei Empfängerinnen und Empfängern von Organtransplantationen bei 252 Fällen pro 100.000 Personenjahre und damit etwa neunmal höher als in Zentraleuropa und vergleichbar der Tuberkuloseinzidenz in Pakistan. Die standardisierte Inzidenzratio (SIR) betrug in Südeuropa 12,8, verglichen mit 3,1 in Zentraleuropa. Zusätzlich hatten Patientinnen und Patienten mit Migrationsgeschichte ein signifikant erhöhtes Erkrankungsrisiko.

    Ein zentrales Ergebnis der Studie betrifft die Präventionspraxis: Nur rund ein Drittel der Transplantierten wurde vor der Transplantation auf eine latente Tuberkuloseinfektion (TBI) untersucht, und lediglich jede zehnte Person erhielt eine präventive Therapie. Die höchste Tuberkuloseinzidenz fand sich bei Personen mit positivem Screening, die keine präventive Behandlung erhielten. Dies bestätigt die Bedeutung unbehandelter latenter Infektionen als wesentliche Ursache der Erkrankung nach Transplantation.

    Auffällig war zudem, dass die meisten Tuberkulosefälle erst mehr als zwei Jahre nach der Transplantation auftraten. Dies spricht dafür, dass neben der Reaktivierung latenter Infektionen auch Neuinfektionen nach der Transplantation eine relevante Rolle spielen. Die Autorinnen und Autoren schlussfolgern, dass ein einheitlicher Ansatz zur Tuberkuloseprävention in Europa nicht ausreicht.

    Kontakt

    Silvia Wissel

    Dr. med. Thomas Theo Brehm

    FG Klinische Infektiologie
    Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum
    Parkallee 35
    23845 Borstel

    tbrehm@fz-borstel.de

    Dr. Thomas Theo Brehm, Wissenschaftler der Forschergruppe Klinische Infektiologie und Arzt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ist einer der Erstautoren der Arbeit. Er erklärt: „In Regionen mit sehr niedriger Inzidenz könnte ein gezieltes Tuberkulose-Screening von Risikogruppen sinnvoll sein, während in Regionen mit höherer Inzidenz ein universelles Screening und eine konsequente präventive Therapie empfohlen werden“. „Dort sollte auch regelmäßig nach einer Transplantation bei den stark immungeschwächten Patientinnen und Patienten nach Hinweisen für eine Neuinfektion mit Tuberkulosebakterien gesucht werden“, ergänzt Professor Christoph Lange, Medizinischer Direktor am Forschungszentrum Borstel und einer der Seniorautoren der Studie. Gemeinsam leiten Lange und Brehm das Klinische Tuberkulosezentrum im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) welches ab 2026 für 5 weitere Jahre mit ca. 1 Million Euro durch öffentliche Mittel gefördert wird.

    Publikation:  Lange B*, Brehm TT*,  Arend SM, Arias Guillén M, Bakker M, Berastegui C, Babiker M, Charif R, Duarte R, Flick H, Hofland RW, Ismail J, Kniepeiss D, Krepel J, Krishnan N, Kuijpers D, Kunst H, van Leth F, Lezaic V, Los-Arcos I, Machová J, Milburn H, Morais SA, Min Kon O, Osoro-Suarez C, Pessegueiro Miranda H, Pesut D, Rahman A, Reischig T, Sánchez-Montalvá A, Spohn HE, Stegenga MT, de Vries APJ, Wagner D, Wobser R, Lange C*, Sester M*. Tuberculosis incidence in solid organ transplant recipients in Europe: A multicenter TBnet cohort study. J Infect 2025 (in press) *equal contribution

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