09.07.2025
Die stille Pandemie – neue Folge des INFECTIONS-Podcast
Von Fliegen, die in Schweinemastbetrieben brüten, über die Verfügbarkeit von Antibiotika in der Welt und den Einfluss der Politik – Folge 2 des Podcast „Mikroben im Visier“ zeigt das breite Spektrum der Forschung im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS auf.
Dazu wurden Bürgerinnen und Bürger eingeladen, Fliegen aus ihrem persönlichen Umfeld einzufangen. „Wir haben – entlang eines Transsektes in bestimmten Abständen von der Brutstätte der Fliegen entfernt – Haushalte gezielt ausgesucht und Leute instruiert, wie sie die Fliegen einfangen und diese aufbewahren sollen, damit wir sie zur späteren Diagnostik benutzen können“, erzählt die Expertin für Mücken und Fliegen. „100 Prozent der Befragten haben sich beteiligt. Das ist ein sensationelles Ergebnis.“ Und dank der Unterstützung durch diese Haushalte wurden über 600 Exemplare, der gesuchten Fliegenart (Musca domestica, gemeine Stubenfliege) gefangen, tiefgekühlt und anschließend im Labor untersucht. Dabei kam heraus, dass nahe der Brutstätte erwartungsgemäß viel mehr Fliegen in den Wohnbereich hineingehen und sich dann die Populationsdichte der Fliegen mit zunehmender Entfernung auch in den Haushalten ausdünnt. Und in Zusammenarbeit mit Dr. Ulrich Nübel und seinem Team am Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) in Braunschweig wurde nachgewiesen, dass tatsächlich auch die antibiotikaresistenten Bakterien durch die Fliegen in den Wohnbereich des Menschen gelangen. „Und dafür gab es bisher überhaupt keine belastbaren Daten“, betont Werner. Durch dieses Citizen Science Projekt sei es das erste Mal gelungen, diese Daten im persönlichen Umfeld von Menschen in diesem Umfang zu erheben.
Die Fliegen oder andere Zweiflügler sind nur einer von verschiedenen Transportwegen, über die Antibiotikaresistenzen verbreitet werden. Weitere sind die Übertragung über Luft, über Wasser oder von Mensch-zu-Mensch. Diese Themen werden ebenfalls von Partnern im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS untersucht.
Verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika – Politik ist gefordert
Beim Symposium ging es aber auch um Strategien zur Bewältigung von antimikrobiellen Resistenzen in der Welt. In einer Podiumsdiskussion kam unter anderem Professor Ramanan Laxminarayan zu Wort. Er ist Direktor des One-Health-Trust und setzt sich seit Jahren dafür ein, das Problem der Antibiotikaresistenzen ins Bewusstsein von Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt zu rücken. „Er hat noch mal betont, wie wichtig es ist, dass alle Menschen auf der Welt Zugang zu Antibiotika haben sollten“, sagt Professor Ulrich Schaible, Sprecher des Forschungsverbunds und Direktor des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum (FZB). Entscheidend sei sicherzustellen, dass Antibiotika angemessen und vernünftig eingesetzt werden, und neue Antibiotika auf den Markt kommen. Zur vernünftigen Anwendung gehöre auch, so Schaible, „dass man rechtzeitig mitbekommt, ob ein Patient mit einem resistenten Erreger infiziert ist, und wogegen der Erreger resistent ist.“
Im Zusammenhang mit der Einführung neuer Medikamente verwies Dr. Michael Stolpe vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) darauf: „Wir müssen den ganzen Prozess der Einführung neuer Medikamente und der Finanzierung überdenken.“ Denn bisher können Pharmafirmen nur dann Geld mit neuen Medikamenten verdienen, wenn sie möglichst viel davon verkaufen. „Und das ist bei Antibiotika natürlich sehr problematisch, weil dadurch ja ein finanzielles Interesse geschaffen wird, die Übernutzung zu erzeugen“, erklärt der Gesundheitsökonom. Dies ließe sich umgehen, wenn der Erlös nicht über die verkauften Antibiotika-Einheiten berechnet würde, sondern danach, welchen Gesundheitserfolg das Medikament nach Einführung in einem Land auf Bevölkerungsebene erzielt.
Das Moderationsteam
- Dr. Elisabeth Pfrommer ist Mikrobiologin und hat im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS ihre Doktorarbeit geschrieben. Sie arbeitet jetzt am Robert-Koch-Institut in Berlin und interessiert sich besonders für die Ausbreitung von Krankheitserregern über die Luft.
- Dr. Christian Nehls ist Physiker, hat seine Doktorarbeit am Forschungszentrum Borstel Leibniz Lungenzentrum geschrieben und arbeitet seit 2015 dort als Wissenschaftler. Er interessiert sich für Zell- und Bakterienmembranen im Zusammenhang mit Infektionen und untersucht außerdem neuartige Wirkstoffe gegen Bakterien.
Über den Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS
Dank verbesserter Hygiene und medizinischem Fortschritt konnten Infektionskrankheiten in den letzten Jahrzehnten vor allem in den Industrieländern zurückgedrängt werden. Steigende Antibiotikaresistenzen, neu auftretende und teilweise unbekannte Erreger, Klimaveränderungen und die zunehmende menschliche Mobilität stellen uns jedoch zunehmend vor neue globale Probleme. Um diesen Herausforderungen entgegenzutreten, wurde vor 10 Jahren der Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS gegründet. Aktuell arbeiten in diesem Verbund 18 Leibniz-Institute und 3 externe Partner zusammen, um über die Fachgrenzen hinweg interdisziplinär neue Strategien und Methoden für Frühwarnsysteme, ein verbessertes Management von Ausbrüchen und eine optimierte Eindämmung der Erregerausbreitung zu entwickeln.
- Webseite des Forschungsverbunds: https://leibnizinfections.de
- Hier geht es direkt zu 2. Folge des Podcasts: https://mikroben-im-visier.podigee.io/2-neue-episode