Pressemitteilungen 2021

Richtigstellung des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum vom 28.05.2021

In dem heute erschienen Artikel in den Lübecker Nachrichten über die Zukunft der Medizinischen Klinik Borstel wurde berichtet, dass die Dienstpläne der Klinik nur bis zum 30.06.21 geschrieben sind und ein neuer Arzt seine Stelle aufgrund der aktuellen Situation nicht angetreten hat. 

Forschungszentrum Borstel: Zukunft der Klinik soll sich in den nächsten Wochen entscheiden (ln-online.de)

Die in dem Artikel beschriebene Situation entspricht nicht den Tatsachen und wir vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum möchten dies an dieser Stelle richtigstellen:Die Dienstpläne der Klinik sind über den 01.07.21 hinaus gesichert und die eingestellten Ärzte treten ihren Dienst wie vereinbart an, so dass der Klinikbetrieb und die Patientenversorgung auf allen Stationen gesichert ist. Eine Schließung der Klinik zum 01.07.2021 steht nicht zur Debatte. Das Direktorium des FZBs arbeitet gemeinsam mit der Klinik, dem Personalmanagement und dem Betriebsrat an einer tragfähigen Lösung, um die Klinik zu erhalten. Seitens des Kuratoriums wurde noch keine Entscheidung über die Weiterführung oder den Standort der Klinik getroffen. Wir vertrauen darauf, dass wir zusammen mit dem Kuratorium zeitnah eine Entscheidung herbeiführen werden.

 

KI mit Schwarm-Intelligenz: Eine neuartige Technologie zur kooperativen Analyse von Big Data

 

Gemeinschaften profitieren vom Wissen und Erfahrungsaustausch ihrer Mitglieder. Nach einem ähnlichen Prinzip – „Swarm Learning“ genannt – hat ein internationales Forschungsteam Algorithmen der künstlichen Intelligenz darauf trainiert, in dezentral gelagerten Datenbeständen Blutkrebs, Lungenerkrankungen und COVID-19 zu erkennen. Dieser Ansatz hat gegenüber herkömmlichen Verfahren den Vorteil, dass Anforderungen des Datenschutzes auf natürliche Weise erfüllt werden – was die standortübergreifende Analyse wissenschaftlicher Daten vereinfacht. Swarm Learning könnte daher die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in der Forschung, insbesondere im Bereich der Medizin, maßgeblich fördern und beschleunigen. Fachleute des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Universität Bonn, des IT-Unternehmens Hewlett Packard Enterprise (HPE) und weiterer Forschungseinrichtungen - darunter auch das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum - berichten darüber im Wissenschaftsjournal „Nature“. 

Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) vom 26.5.2021

Wissenschaft und Medizin werden zunehmend digitaler. Die Analyse der dabei anfallenden Informationsmengen – „Big Data“ genannt – gilt als ein Schlüssel zu besseren Behandlungsoptionen. „Medizinische Forschungsdaten sind ein Schatz. Sie können entscheidend dazu beitragen, personalisierte Therapien zu entwickeln, die passgenauer als herkömmliche Behandlungen auf jeden Einzelnen zugeschnitten sind“, sagt Joachim Schultze, Direktor für Systemmedizin am DZNE und Professor am Life & Medical Sciences-Institut (LIMES) der Universität Bonn. „Für die Wissenschaft ist es wichtig, dass sie solche Daten so umfassend und von so vielen Quellen wie möglich nutzen kann.“ Allerdings unterliegt der Austausch medizinischer Forschungsdaten über Standorte oder gar Ländergrenzen hinweg den Anforderungen des Datenschutzes und der Datenhoheit. Diese Auflagen lassen sich in der Praxis meist nur mit erheblichem Aufwand umsetzen. Zudem gibt es technische Hürden: Etwa wenn gewaltige Datenmengen digital übermittelt werden sollen, können Datenleitungen schnell an Leistungsgrenzen stoßen. Angesichts dieser Bedingungen sind viele medizinische Studien lokal beschränkt und können Daten, die andernorts vorliegen, nicht verwerten.

Daten bleiben vor Ort

Vor diesem Hintergrund erprobte ein Forschungsverbund um Joachim Schultze eine neuartige Vorgehensweise, um dezentral gelagerte Forschungsdaten auszuwerten. Grundlage dafür war die noch junge, von HPE entwickelte Technologie des „Swarm Learning“. Neben dem IT-Unternehmen beteiligten sich an dieser Studie zahlreiche Forschungseinrichtungen aus Griechenland, den Niederlanden und Deutschland – darunter Mitglieder der „German COVID-19 OMICS Initiative“ (DeCOI).2 Swarm Learning kombiniert eine spezielle Form des Informationsaustausches über verschiedene Knoten eines Netzwerkes hinweg mit Methoden aus dem Werkzeugkasten des „maschinellen Lernens“, einem Teilbereich der künstlichen Intelligenz (KI). Dreh- und Angelpunkt des maschinellen Lernens sind Algorithmen, die an Daten trainiert werden, um darin Gesetzmäßigkeiten aufzuspüren – und infolgedessen die Fähigkeit erwerben, die gelernten Muster auch in anderen Daten zu erkennen. „Swarm Learning eröffnet der Medizinforschung, aber auch der Wirtschaft, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Der Schlüssel liegt darin, dass alle Kooperationspartner voneinander lernen können, ohne vertrauliche Daten teilen zu müssen“, sagt Dr. Eng Lim Goh, Senior Vice President und Chief Technology Officer für künstliche Intelligenz bei HPE. In der Tat: Beim Swarm Learning bleiben sämtliche Forschungsdaten vor Ort. Ausgetauscht werden nur Algorithmen und Parameter – gewissermaßen Erfahrungswerte. „Swarm Learning erfüllt die Vorgaben des Datenschutzes auf natürliche Weise“, betont Joachim Schultze.

Gemeinschaftliches Lernen

Anders als beim „Federated Learning“, bei dem die Daten ebenfalls lokal verbleiben, gibt es keine zentrale Kommandostelle, erläutert der Bonner Wissenschaftler. „Swarm Learning geschieht kooperativ anhand von Regeln, auf die sich alle Partner vorab verständigt haben. Dieses Regelwerk wird in einer Blockchain festgehalten.“ Hierbei handelt es sich um eine Art digitales Protokoll, das den Informationsaustausch zwischen den Parteien verbindlich regelt, sämtliche Ereignisse dokumentiert und das alle Beteiligten einsehen können. „Die Blockchain ist das Rückgrat des Swarm Learning“, so Schultze. „Alle Mitglieder des Schwarms sind gleichberechtigt. Es gibt keine zentrale Macht über das Geschehen und die Ergebnisse, also gewissermaßen keine Spinne, die das Datennetz kontrolliert.“ Die KI-Algorithmen lernen somit lokal, nämlich anhand der Daten, die am jeweiligen Netzwerkknoten vorliegen. Die Lernerfolge jedes Knotens werden in Form von Parametern über die Blockchain gesammelt und in intelligenter Weise vom System verarbeitet. Daraufhin optimierte Parameter werden an alle Beteiligte weitergegeben. Dieser Ablauf wiederholt sich mehrfach, wodurch sich die Fähigkeit der Algorithmen Muster zu erkennen nach und nach verbessert – und zwar an jedem Knoten des Netzwerke

Lungenbilder und molekulare Merkmale

Den Praxisbeweis dafür liefern die Forschenden nun anhand der Analyse von Röntgenbildern der Lunge und sogenannter Transkriptome: Bei Letzteren handelt es sich um Daten zur Genaktivität von Zellen. In der aktuellen Studie ging es konkret um Immunzellen, die im Blut zirkulieren – also um weiße Blutkörperchen. „Daten der Genaktivität von Blutzellen sind wie ein molekularer Fingerabdruck. Sie enthalten wichtige Informationen darüber, wie der Organismus auf eine Erkrankung reagiert“, sagt Schultze. „Transkriptome liegen genauso wie Röntgenbilder in großer Menge vor und sie sind hochkomplex. Genau die richtige Art von Informationen für eine Analyse mit künstlicher Intelligenz. Solche Daten sind ideal, um Swarm Learning zu testen.“3 Das Forschungsteam nahm sich insgesamt vier infektiöse und nicht-infektiöse Erkrankungen vor: zwei Varianten von Blutkrebs (Akute Myeloische Leukämie und Akute Lymphoblastische Leukämie), außerdem Tuberkulose und COVID-19. Die Daten umfassten insgesamt mehr als 16.000 Transkriptome. Das Swarm-LearningNetzwerk, über das die Daten verteilt waren, bestand in der Regel aus mindestens drei und bis zu 32 Knoten. Unabhängig von den Transkriptomen analysierten die Forschenden rund 100.000 Röntgenbilder des Brustkorbs. Diese stammten von Patienten mit Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge oder anderen pathologischen Befunden sowie von Personen ohne Auffälligkeiten. Diese Daten waren über drei verschiedene Knoten verteilt.

Hohe Trefferquote

Die Analyse sowohl der Transkriptome wie auch der Röntgenbilder folgte dem gleichen Prinzip: Zunächst fütterten die Forschenden ihre Algorithmen mit Teilmengen des jeweiligen Datensatzes. Dazu gehörte auch die Information, welche der Proben von Patienten stammten und welche von Personen ohne Befund. Mit der so erlernten Mustererkennung für „krank“ beziehungsweise „gesund“ wurden dann weitere Daten klassifiziert – das heißt: eingeteilt in Proben mit oder ohne Erkrankung. Die Treffsicherheit, also die Fähigkeit der Algorithmen zwischen gesunden und erkrankten Personen zu unterscheiden, lag bei den Transkriptomen im Durchschnitt (jede der vier Erkrankungen wurde separat ausgewertet) bei rund 90 Prozent, im Falle der Röntgendaten reichte sie von 76 bis 86 Prozent. „Das Verfahren funktionierte am besten bei Leukämie. Hier ist die Signatur der Genaktivität besonders auffällig und somit für künstliche Intelligenz am einfachsten zu erkennen. Infektionserkrankungen sind variabler. Dennoch war die Treffsicherheit bei Tuberkulose und COVID-19 ebenfalls sehr hoch. Bei den Röntgendaten war die Quote etwas niedriger, was mit der geringeren Daten- beziehungsweise Bildqualität zusammenhängt“, kommentiert Schultze die Ergebnisse. „Unsere Studie belegt somit, dass sich Swarm Learning auf ganz unterschiedliche Daten erfolgreich anwenden lässt. Prinzipiell gilt das für jede Art von Information, bei der eine Mustererkennung anhand künstlicher Intelligenz sinnvoll ist. Seien es Genomdaten, Röntgenaufnahmen, Bilddaten aus dem Hirnscanner oder andere komplexe Daten.“ Die Studie ergab zudem, dass Swarm Learning deutlich bessere Ergebnisse lieferte, als wenn die Knoten des Netzwerkes unabhängig voneinander lernten. „Jeder Knoten profitiert von den Erfahrungswerten der anderen Knoten, obwohl immer nur lokale Daten zur Verfügung stehen. Das Konzept des Swarm Learning hat damit den Praxistest bestanden“, sagt Schultze.

Vision für die Zukunft

„Ich bin davon überzeugt, dass Swarm Learning der medizinischen Forschung und anderen datengetriebenen Disziplinen einen enormen Schub geben kann. Die aktuelle Studie war nur ein Testlauf. Künftig wollen wir diese Technologie auf Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen anwenden“, so Schultze. „Swarm Learning hat das Potential eines echten Gamechangers und könnte helfen, den Erfahrungsschatz der Medizin weltweit zugänglicher zu machen. Nicht nur Forschungseinrichtungen, auch beispielsweise Krankenhäuser könnten sich zu solchen Schwärmen zusammenschließen und damit Informationen zum gegenseitigen Nutzen austauschen.“4 Originalveröffentlichung Swarm Learning for decentralized and confidential clinical machine learning, Warnat-Herresthal et al., Nature (2021), DOI: 10.1038/s41586-021-03583-3, URL: https://www.nature.com/articles/s41586-021-03583-3 Über das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) Das DZNE ist eine Forschungseinrichtung, die sich mit sämtlichen Aspekten neurodegenerativer Erkrankungen (wie beispielsweise Alzheimer, Parkinson und ALS) befasst, um neue Ansätze der Prävention, Therapie und Patientenversorgung zu entwickeln. Durch seine zehn Standorte bündelt es bundesweite Expertise innerhalb einer Forschungsorganisation. Das DZNE kooperiert eng mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene. Es wird öffentlich gefördert und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft. Website: www.dzne.de

Medienkontakt

Sabine Hoffmann DZNE, Pressesprecherin Tel.: 0228 / 43302-260 E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Marcus Neitzert DZNE, Wissenschaftsredakteur Tel.: 0228 / 43302-267 E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

 

Medizinische Klinik Borstel wird Zentrum für seltene Lungenerkrankungen

Die Medizinische Klinik Borstel ist als Zentrum für seltene Lungenerkrankungen in das Zentrum für seltene Erkrankungen (ZSE) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) aufgenommen worden.  „Seltene Erkrankungen sind durch eine Häufigkeit von weniger als 1/2000 in der Bevölkerung charakterisiert“, sagt Dr. Elena Terhalle, Oberärztin an der Medizinischen Klinik Borstel und Leiterin des Boards für Lungenfibrosen. Viele Lungenerkrankungen, wie die Lymphangioleiomyomatose, das Yellow-Nail-Syndrom, aber auch Lungenfibrosen und Lungenbluthochdruckerkrankungen (PAH) gehören dazu. Selbst die Tuberkulose, weltweit eine der häufigsten Lungenerkrankungen, ist in Deutschland selten.

„Wir besprechen die Befunde unsere PatientInnen mit seltenen Lungenerkrankungen im Team aus Lungenfachärzt*innen, Infektiolog*nnen, Radiolog*nnen und Patholog*nnen in regelmäßigen Fachkonferenzen, einem sogenannten Board“, so Dr. Terhalle. Durch die enge Anbindung an die Biobank Nord (BMB Nord) können Forschungsprojekte zur weiteren Charakterisierung der seltenen Lungenerkrankungen durchgeführt werden.

Die Medizinische Klinik des Forschungszentrums Borstel ist neben dem UKSH die einzige Klinik in Schleswig-Holstein, die am Deutschen Zentrum für Lungenforschung und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) partizipiert. Sie ist auch eine von nur zwei Kliniken im Land, die als Weaningzentrum durch die Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zertifiziert ist. Außerdem ist die Klinik gemeinsam mit dem UKSH, Campus Lübeck, durch die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie als „Zentrum für Infektiologie“ zertifiziert. Gemeinsam mit dem Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Mykobakterien führen die Borsteler ÄrztInnen jährlich mehr als 1000 telefonische Fachberatungen für ärztliche KollegInnen zum Thema Tuberkulose und nicht-tuberkulöse Mykobakterien durch.  

Kontakt:

Bitte wenden Sie sich an Ihre Lungenfachärztin/Ihren Lungenfacharzt und entscheiden Sie gemeinsam, ob eine ambulante oder stationäre Abklärung Ihrer Erkrankung in Borstel erfolgen sollte.

Ansprechpartnerin an der Medizinischen Klinik Borstel:

OA Dr. med. Elena Terhalle
Telefon: 04537 / 188-3210
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Über die Medizinische Klinik Borstel, Leibniz Lungenzentrum

An der Medizinischen Klinik des Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, werden PatientInnen mit pneumologischen Krankheitsbilder untersucht und behandelt. Neben den häufigen Erkrankungen wie COPD, Asthma, Lungenentzündungen und Lungenkrebs eben auch Patientinnen mit seltenen Lungenerkrankungen. Zusätzlich zur stationären Behandlung verfügt die Medizinische Klinik über eine pneumologische Ambulanz, in der auch PatientInnen mit seltenen Lungenerkrankungen regelmäßig betreut werden. In Borstel gibt es außerdem Spezialsprechstunden für PatientInnen mit seltenen Allergien, Lungenbluthochdruck-Erkrankungen, Tuberkulose und nichttuberkulöse Lungenerkrankungen.

 

 

Paper of the Quarter: Forschende des FZBs gewinnen Preis für die beste Publikation

Die Europäische Gesellschaft für Mykobakteriologie (ESM) vergibt vier Mal im Jahr einen Preis für die beste Publikation ihrer Mitglieder. Im ersten Quartal 2021 konnten sich drei Wissenschaftler*innen  des FZBs über die Auszeichnung freuen: Dr. Barbara Tizzano und Dr. Christian Utpatel aus der Forschungsgruppe „Molekulare und Experimentelle Mykobakteriologie“ und Dr. Tobias Dallenga aus der Forschungsgruppe „Zelluläre Mikrobiologie“ überzeugten das ESM Steering Committee mit ihrer Arbeit über die Überlebenswahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Tuberkulose-Stämme unter Sauerstoffmangel.  Die Wissenschaftler*innen konnten in ihrer Studie, die im Januar in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen ist, zeigen, dass eine Wiedererweckung aus dem Ruhezustand nach Sauerstoffmangel nicht bei allen Tuberkulosestämmen möglich ist. Dies wiederlegt bisheriges Textbuchwissen, das besagte, dass generell alle Stämme des Mycobacterium tuberculosis Komplexes längere Perioden unter Sauerstoffmangel überleben und sich reaktivieren können. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Aspekt, um die Infektionsdynamik besser zu verstehen und Medikamente zu entwickeln, die auf den Ruhezustand abzielen.

Der Preis ist mit 500 Euro dotiert. Die Gewinner*innen nehmen dank der Auszeichnung automatisch an der Verleihung des Hugo David Awards teil, der im Januar 2022 durch die Europäische Gesellschaft für Mykobakteriologie (ESM) ausgelobt wird. Die ESM ist eine gemeinnützige, internationale, wissenschaftliche Gesellschaft, die sich mit verschiedenen Aspekten der Mykobakteriologie und verwandten Krankheiten beschäftigt.

Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten!

 

Publikation: Tizzano, B., Dallenga, T.K., Utpatel, C. et al. Survival of hypoxia-induced dormancy is not a common feature of all strains of the Mycobacterium tuberculosis complex. Sci Rep 11, 2628 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-81223-6

Maßgeschneiderte Therapie der multiresistenten Tuberkulose

Um eine multiresistente Tuberkulose erfolgreich zu behandeln, muss im Vorfeld geklärt werden, gegen welche Antibiotika die Erreger Resistenzen aufweisen. Die klassische Testung im Labor ist sehr zeitaufwendig und verzögert den Therapiebeginn. Wissenschaftler*innen aus dem Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) haben nun einen Katalog aller Mutationen im Erbgut der Tuberkulosebakterien erstellt und können auf dieser Basis mittels einer Genomsequenzierung schnell und kostengünstig vorhersagen, welche Medikamente für die Tuberkulose-Behandlung am effektivsten sind. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in der Fachzeitschrift Clinical Infectious Diseases publiziert.

Die Tuberkulose ist die häufigste zum Tod führende bakterielle Infektionskrankheit weltweit. Der Erreger der Tuberkulose, Mycobacterium tuberculosis, weist eine Reihe von Besonderheiten auf. Eine davon: Er wächst sehr langsam. Während man andere typische Krankheitserreger, wie Pneumokokken und Pseudomonaden, bereits in den ersten 72 Stunden durch ihr Wachstum im mikrobiologischen Labor identifizieren kann, vergehen meist mehrere Wochen, bis Tuberkulosebakterien im Labor anwachsen.  So vergehen oft ein bis zwei Monate, bevor die Wirksamkeit der einzelnen Medikamente getestet werden kann.

Diese Wirksamkeitstests sind aber unerlässlich für die effektive Behandlung der multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB), die immer häufiger auftritt. Hier ist der Erreger gegenüber den besten Tuberkulosemedikamenten, Rifampicin und Isoniazid, resistent, also unempfindlich geworden. Ursache sind Veränderungen im Erbgut, sog. Mutationen, die fast immer an denselben Stellen im Genom auftreten. Die Therapie der MDR-TB ist langwierig, kostspielig und von häufigen Nebenwirkungen geprägt.

Für die Wahl der Antibiotika in einer Kombinationstherapie sind die behandelnden Ärzte bislang auf die Ergebnisse der Medikamententestung nach Anzucht angewiesen „Aktuell stehen 15 Medikamente für die Zweitlinientherapie zur Verfügung, von denen mindestens vier miteinander kombiniert werden“, erklärt Prof. Christoph Lange, der die klinische Studie am FZ Borstel koordinierte.

Forschende um Prof. Stefan Niemann am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum haben nun einen Katalog von Mutationen im Erbgut der Tuberkulosebakterien erstellt mit dem sich Antibiotikaresistenzen der Bakterien gegen alle Medikamente vorhersagen lassen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bakterien verändert sich das Erbgut der Tuberkulosebakterien kaum über die Zeit. Das Genom der Tuberkulosebakterien trägt ca. 4.4 Millionen Bausteine (Basenpaare) welche die Information für ca. 4000 Gene speichern.

Hans-Peter Grobbel, Medizinstudent und DZIF-Doktorand im Team von Professor Lange hat nun mit Unterstützung seines studentischen Kollegen Niklas Köhler, Professor Matthias Merker, Dr. Sönke Andres und Dr. Harald Hoffmann die Ergebnisse der Vorhersagen von Antibiotikaresistenzen durch Gesamt-Genomanalysen untersucht. An Tuberkulosebakterien von 70 Patient*innen mit einer MDR-TB, die an der Medizinischen Klinik in Borstel behandelt wurden, verglichen die Forschenden die molekulare Vorhersage der Antibiotikaresistenzen mit denen der tatsächlichen kulturellen Testergebnisse die von Prof. Florian Maurer, dem Leiter des Nationalen Referenzlabor für Mykobakterien (NRZ) in Borstel, beigesteuert wurden. Sie überprüften außerdem, ob basierend auf der Vorhersage der Erbsubstanz der Bakterien verlässliche Kombinationen von Medikamenten für die Therapie der MDR-TB zusammenzustellt werden können.

„99 % aller Medikamente in Kombinationstherapien, die wir basierend auf den Ergebnissen der molekularen Vorhersagen aus der Erbsubstanz der Tuberkulosebakterien zusammengestellt haben, sind nach den Ergebnissen der traditionellen mikrobiologischen Antibiotikaresistenztestung auch wirksam“, so Grobbel. Die molekularen Verfahren sind inzwischen preisgünstig und schnell. Idealerweise können betroffene Patient*innen bereits in der ersten Woche der Diagnosestellung einer Tuberkulose eine maßgeschneiderte MDR-TB Therapie erhalten.

Publikation:

Grobbel HP, Merker M, Köhler N, Andres S, Hoffmann H, er al.
Design of multidrug-resistant tuberculosis treatment regimens based on DNA sequencing. Clin Infect Dis. 2021 Apr 26:ciab359. doi: 10.1093/cid/ciab359. Online ahead of print. PMID: 33900387

Zur Publikation

Kontakt:

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christoph Lange
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04537 188 3030

Prof. Dr. rer. nat. Stefan Niemann
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04537 188 7620

Prof. Dr. med. Florian Maurer
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04537-188 2010