Pressemitteilungen 2021

Gebündelte Expertise im Kampf gegen Wirkstoffresistenzen: Der Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS startet in eine neue Arbeitsphase

Nach der Einrichtungsentscheidung der Leibniz-Gemeinschaft kann der Leibniz-Forschungsverbund „INFECTIONS in an Urbanizing World - Humans, Animals, Environments“ seine Arbeit aufnehmen und an die erfolgreiche Tätigkeit des Verbunds INFECTIONS´21 anschließen.  In den kommenden vier Jahren liegt der Fokus der Forschung auf der Ausbreitung antimikrobiell resistenter Mikroben in einer zunehmend urbanisierten Gesellschaft. Durch seine stark interdisziplinäre und kooperative Forschungsagenda sollen langfristige Synergien entwickelt werden, um aktuelles Wissen zu erweitern, zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen beizutragen und politische Empfehlungen zu geben.

Infektionskrankheiten, die durch Viren, Bakterien, Parasiten und Pilze verursacht werden, gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit und stellen uns vor große gesellschaftliche und gesundheitspolitische Herausforderungen. Neben den bisher bekannten Erregern wird die Menschheit zunehmend mit neu auftretenden Keimen konfrontiert, deren Entstehung und Ausbreitung durch menschliches Handeln begünstigt wird und oft einen zoonotischen Ursprung hat. Diese Übertragung vom Tier zum Menschen könnte in Zukunft noch verstärkt werden: Bereits 2018 lebten 55 % der Weltbevölkerung in Städten, bis zum Jahre 2050 wird ein Anstieg auf 68 % vorhergesagt. Dicht besiedelte Zentren dringen in ländliche Bereiche ein und bewirken eine fortschreitende Nähe zwischen Wildtier, Nutztier und Mensch. Zudem passen sich Wildtiere immer besser an landwirtschaftlich genutzte und urbane Gebiete an, wodurch das Risiko der Erregerübertragung auf den Menschen in Zukunft erhöht sein wird. 

Auch der verstärkte Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe, beispielsweise Antibiotika in Medizin und Landwirtschaft, fördert die Evolution von Keimen, die zunehmend Resistenzen gegen gängige Medikamente aufweisen und zu einem alarmierenden Anstieg schwer oder nicht mehr behandelbarer Infektionen führen. Ohne neue Medikamente und deren rationalem Einsatz, neue therapeutische Strategien, bessere Erregerüberwachung und Infektionskontrolle wird die Menschheit Krankheitserregern wieder zunehmend schutzlos ausgeliefert sein. „Die Bekämpfung von Infektionskrankheiten, die durch resistente Erreger verursacht werden, gegen die wir keine oder nur noch wenige Wirkstoffe haben, bedarf der engen Zusammenarbeit unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen,“ so Prof. Dr. Ulrich Schaible, Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds INFECTIONS. „Für die Entstehung wirkstoffresistenter Erreger sind unterschiedliche Bedingungen ausschlaggebend, deren Erforschung und Eindämmung weit über den eigentlichen Bereich der Biomedizin hinausgeht und eine interdisziplinäre Herangehensweise verlangt.“

Aus diesem Grund haben die insgesamt 18 Leibniz-Partnerinstitute des Forschungsverbunds gemeinsam mit drei externen Kooperationspartnern den Schwerpunkt ihrer aktuellen Forschung auf die Auswirkungen der Urbanisierung und der Landwirtschaft auf die Ausbreitung wirkstoffresistenter Krankheitserreger gelegt. „Wir vermuten, dass verschiedene Grade menschlicher Nutzung und damit verbundene Tätigkeiten die Erregerausbreitung unterschiedlich fördern,“ erklärt Ulrich Schaible den Fokus der kommenden Arbeitsphase. „Aus diesem Grund haben wir die Projekte so angelegt, dass wir diesen Einfluss unter unterschiedlichen Gegebenheiten vergleichend untersuchen können.“ Die insgesamt sechs Projekte, die in den kommenden vier Jahren durch die gebündelte und multidisziplinäre Expertise der Projektpartner bearbeitet werden, umspannen natürliche, landwirtschaftlich genutzte und urbane Bereiche. Dabei wird der Einfluss von Wasser, verschiedenen Fliegenarten und Eindämmungsmaßnahmen in Krankenhäusern auf die Erregerverbreitung untersucht.

„Infektionsforschung ist seit jeher eine Domäne von Leibniz-Instituten. Nicht zuletzt wurde 2003 der erste diagnostische Test auf das erstmalig aufgetretene SARS-Coronavirus in einem Leibniz-Institut entwickelt und sofort der weltweiten Wissenschaft zur Verfügung gestellt,“ so Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. “Die aktuelle Covid-19-Pandemie führt uns derzeit nicht nur die außerordentliche gesellschaftliche Relevanz der Infektionsforschung vor Augen, sondern macht uns auch klar, wie weitreichend und diszplinenübergreifend ihre wissenschaftlichen Fragestellungen sind. Neben Infektiologie, Epidemiologie und Medizin sind es zum Beispiel Zoologie, Wirtschaftswissenschaften und Klimaforschung, aber auch physikalische Wissenschaften, die sich mit den Ursachen, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen von Infektionskrankheiten befassen. Diese kooperative Interdisziplinarität spiegelt sich im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS, der jetzt in eine neue Arbeitsphase geht. Ich bin guter Hoffnung, dass wir aus seiner Arbeit wichtige Erkenntnisse für zukünftige Epidemien gewinnen können, mit denen sich hoffentlich derart schwere, pandemische Verläufe wie aktuell verhindern lassen.“

In der offiziellen Begründung des Senates der Leibniz-Gemeinschaft wurde die Relevanz der Initiative nicht nur angesichts der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie hervorgehoben und eine Förderung empfohlen. Der Forschungsverbund hat laut der Begründung das Potential eine existierende Lücke in der Forschung zur Infektionsbekämpfung zu schließen, da es exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbringe und Strukturen schaffe, die es so an anderer Stelle noch nicht gebe.  Neben der exzellenten wissenschaftlichen Forschung wird ein weiterer Fokus auf die Vermittlung des erworbenen Wissens gelegt: Neben mehreren lokalen und internationalen Veranstaltungen, Summer Schools und Workshops zum Thema Wirkstoffresistenzen soll auch die breite Öffentlichkeit durch Videoblogs, Podcasts und soziale Medien über den aktuellen Stand der Projekte informiert und durch ein Citizen-Science Projekt direkt in die Forschung einbezogen werden.  Die Finanzierungsumme beläuft sich auf 1,2 Millionen Euro für die kommenden vier Jahre.

 

Ausgezeichnet! Medizinische Klinik als „Weaning-Zentrum“ zertifiziert

Die Medizinische Klinik Borstel, Leibniz Lungenzentrum wurde letzte Woche von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) als „Weaning-Zentrum“ ausgezeichnet und gehört nun zu einem deutschlandweiten Netzwerk pneumologischer Einrichtungen, die darauf spezialisiert sind Patient*innen, die aufgrund einer schweren Krankheit beatmet werden mussten, von einem Beatmungsgerät zu entwöhnen.

Wenn Patient*innen nach einer schweren Krankheit oder Operation über einen längeren Zeitraum beatmet werden, muss die eigenständige Atmung im Anschluss neu erlernt werden. Dies ist notwendig, da sich die Atemmuskulatur bereits nach wenigen Tagen abbaut und das selbstständige Atmen erschwert oder verhindert. Diese Entwöhnung von der invasiven Beatmung nennt man Weaning und ist ein schrittweiser und teilweise wochenlanger Prozess, der durch die professionelle Unterstützung eines spezialisierten Teams verschiedener Fachdisziplinen begleitet werden muss.

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Patient*innen, die nur schwer von einem Beatmungsgerät zu entwöhnen sind aufgrund verbesserter intensivmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten bei Organversagen, zunehmenden Komorbiditäten und der sich verändernden Altersstruktur der Bevölkerung stetig gewachsen. Um eine flächendeckende Versorgung mit den nötigen Qualitätsstandards zu gewährleisten und stetig zu verbessern, hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. im Jahre 2009 das WeanNet gegründet.

Um ein zertifiziertes Weaning-Zentrum dieses Netzwerks zu werden, muss ein anspruchsvolles Zertifizierungsverfahren durchlaufen werden. Dazu zählt – neben den grundsätzlichen infrastrukturellen Voraussetzungen – die Teilnahme an dem Weaning-Register und eine dokumentierte jährliche Mindestzahl von Patienten mit verlängertem Weaning. "An der Medizinischen Klinik des Leibniz Lungenzentrums in Borstel haben wir eine jahrelange Erfahrung darin, Patient*innen von Beatmungsmaschinen zu entwöhnen damit sie wieder eigenständig atmen können. Unser Erfolg liegt im Engagement und in der interdisziplinären Zusammenarbeit,“ so Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Lange, Medizinischer Direktor der Klinik Borstel.

Die Weaning-Station an der Medizinischen Klinik Borstel, Leibniz Lungenzentrum verfügt über 12 Betten. Pro Jahr werden hier ca. 50 Patient*innen von der künstlichen Beatmung entwöhnt. Ein spezialisiertes ärztliches und pflegerisches Team kümmert sich hier rund um die Uhr um die Patient*innen. Unterstützt wird das Team durch drei Physiotherapeut*Innen und die zwei Atmungstherapeut*innen.  „Atemtherapie und physikalische Therapie müssen am ersten Tag der Beatmungstherapie beginnen,“ erklärt Prof. Lange. „Als Weaningzentrum verfolgen wir ein ganzheitliches Konzept. Nur gemeinsam erreichen wir für die uns anvertrauten Patient*innen das beste Behandlungsergebnis."

Kontakt:

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Lange
Medizinsicher Direktor
Medizinische Klinik Borstel, Leibniz Lungenzentrum
Parkallee 35, 23845 Borstel
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weitere Informationen:

Hochdurchsatz-Bildanalysen ermöglichen einen Einblick in die Zellinteraktion bei Lungentumoren

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrums konnte mittels modernster Bildanalysen zeigen, dass das Wachstum von Nicht-kleinzelligen Tumorzellen und der damit verbundene Krankheitsverlauf nicht nur von der Anzahl der Immunzellen im Gewebe, sondern auch von der Distanz dieser Zellen zueinander und der damit möglichen Interaktion abhängt. Die Ergebnisse der Studie wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift Journal for ImmunoTherapy of Cancer veröffentlicht und könnten in Zukunft bei der Entwicklung neuer Therapiekonzepte eine Rolle spielen.

Nicht-kleinzellige Lungenkarzinome (non-small cell lung cancer, NSCLC) sind die häufigsten Formen des Lungenkrebses, einer Krankheit die immer noch zu den häufigsten Todesursachen weltweit gehört. Aufgrund der weitestgehend symptomlosen Entwicklung der Krankheit, weisen ca. 2/3 der Patienten bereits bei Diagnose ein lokal fortgeschrittenes Karzinom oder Metastasen auf, was die Behandlungsmöglichkeiten auf Radio/-Chemotherapie sowie zielgerichtete Therapien oder Immun-Therapien einschränkt. Diese Therapien sind abhängig von der Expression bestimmter Signalmoleküle des Immunsystems. Die Interaktion des Tumors mit den Immunzellen stellt eine vielversprechende Basis dar um neue Behandlungskonzepte zu entwickeln und wurde als Forschungsfeld 2018 mit der Verleihung des Nobelpreises für Physiologie und Medizin an James P. Allison und Tasuku Honjo weltberühmt.

Vorangegangene, standortübergreifende Studien unter Leitung von Prof. Dr. Torsten Goldmann im Rahmen einer Förderung des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) zeigten, dass der Transforming Growth Factor Beta (TGFB) Signalweg bei NSCLC verstärkt aktiv ist. Dieses regulatorische Protein ist für die Zellentwicklung und Differenzierung zuständig. Untersuchungen im Labor und im Organismus konnten zeigen, dass eine Therapie, die dieses Protein hemmt, eine anti-tumor Wirkung aufweist und zudem die Immunantwort des Wirtes verstärkt.

Im Zuge einer DFG-geförderten Kooperation mit Dr. Bernard A. Fox, Laboratory of Molecular and Tumor Immunology am Earle A Chiles Research Institut in Portland, Oregon untersuchte Dr. Sebastian Marwitz aus dem Labor von Prof. Dr. Torsten Goldmann in der Pathologie des Forschungszentrum Borstel, in welchen Immunzellen innerhalb von NSCLC-Tumoren eine hohe TGFB-Signalwegsaktivität vorliegt. Hierfür wurden modernstes Multiplex-Imaging und artifical-intelligence-basierte Bildanalysen angewandt, die eine detaillierte Charakterisierung von Zellen direkt im Gewebe und gleichzeitige Expression von Signalwegsmolekülen erlauben sowie die zelluläre Interaktion und Berechnung von räumlicher Nähe ermöglichen. „Die Berechnung welche Zellen sich in räumlicher Nähe zueinander befinden, lässt Rückschlüsse darauf zu, ob sie miteinander Signale austauschen können und welcher Natur diese sind. Dadurch lassen sich Vorhersagen darüber treffen, ob eine Interaktion der Immunzellen untereinander bzw. mit dem Tumor stattfinden kann und ob diese Interaktion im Krankheitsverlauf einen diagnostischen oder prognostischen Wert hat.“ kommentiert Dr. Marwitz als Erstautor die Ergebnisse.

Dank einer Förderung des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) besteht nun auch seit 2020 am Forschungszentrum Borstel die Möglichkeit diese Multiplex-IHC Verfahren anzuwenden und mittels AI-Bildanalysen Aussagen über die Interaktion und Signalaktivierungen von Zellen innerhalb von Patientengeweben zu treffen. Eine hohe Anzahl regulatorischer T-Zellen, also spezielle Zellen der körpereigenen Immunabwehr, in einem Radius von 30 µm um Effektor T-Zellen herum, waren bei NSCLC-Patienten mit einer kürzeren Überlebenszeit sowie einem schnelleren Wiederauftreten ihrer Tumorerkrankung assoziiert. „Dies zeigt, dass nicht nur die Anzahl bestimmter Zellen, sondern auch ihre Distanz zueinander einen Effekt haben, den man sich mittels zielgerichteter Therapien zu Nutze machen könnte,“  so Sebastian Marwitz. Dafür werden nun in der Pathologie am Forschungszentrum Borstel im Rahmen des DZL und in enger Kooperation mit Prof. Martin Reck von der LungenClinic Großhansdorf, Prof. Rajkumar Savai am Max-Planck-Institut Bad Nauheim sowie Kollegen der Thoraxklinik Heidelberg, größere Patientenkohorten systematisch mittels spatial profilings auf die Interaktion und Aktivierung ihrer Immunzellen untersucht. 

Kontakt:

Dr. Sebastian Marwitz
Pathologie am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum
Parkallee 3a, 23845 Borstel
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Publikation:

Marwitz S, Ballesteros-Merino C, Jensen SM, et al. Phosphorylation of SMAD3 in immune cells predicts survival of patients with early stage non-small cell lung cancer. Journal for ImmunoTherapy of Cancer 2021;9:e001469. doi: 10.1136/jitc-2020-001469

Covid-Monitor am FZB: Alle wichtigen Daten im Blick!

Seit nun mehr einem Jahr führt die Medizinische Klinik Borstel, Leibniz Lungenzentrum ambulante SARS-CoV-2-Testungen durch.  Seitdem wurden an dem Drive-Thru-Testzentrum bereits über 11.000 Personen getestet.

Zusätzlich zu den Abstrichen wurden alle Personen zu Ihren Krankheitssymptomen, Risikofaktoren und den möglichen Ansteckungswegen befragt. Basierend auf diesen Daten wurde im letzten Jahr ein Monitoring-Tool entwickelt, das die Angaben aus den Befragungen und die Ergebnisse der Abstriche zusammenführt und die erhobenen Daten in Echtzeit analysiert und visualisiert.

Dieses Tool wurde nun um eine wichtige Funktion erweitert: Seit dieser Woche werden zusätzlich zu den bisher erhobenen Daten die Ergebnisse der Genomsequenzierungen angezeigt. Diese Daten stammen aus den positiven SARS-CoV-2-Proben des Drive-Thrus und aus dem UKSH und geben einen wöchentlichen Überblick über die Verbreitung der unterschiedlichen SARS-CoV-2 Varianten in Schleswig-Holstein. Die Genomsequenzierung wird direkt am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum durch ein modernes Hochdurchsatzverfahren, dem sogenannten „Next Generation Sequencing“ Verfahren durchgeführt und durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein geförderten.

Die Daten zeigen, dass sich seit Anfang des Jahres die zuerst in Großbritannien beschriebene SARS-CoV-2 „variant of concern (VOC)“ 20I/501Y.V1 (B.1.1.7) auch in Schleswig-Holstein immer weiter ausbreitet. Seit dem ersten Vorkommen dieser Variante in der 2. KW 2021, nimmt der Anteil dieser leichter übertragbaren Virusvariante in den Proben immer weiter zu. In den aktuellen Sequenzierungsdaten der 9.KW kann man erkennen, dass sich die Variante 20I/501Y.V1 (B.1.1.7) – analog zu dem bundesweiten Trend - auch bei uns durchgesetzt hat und die vorherrschende Variante darstellt.

Weitere Informationen:

Covid-Monitor: https://covid-monitor.de

Corona Ambulanz am FZB: „Drive thru“ Corona-Virus Testung (fz-borstel.de)

Genomsequenzierung am FZB: Genomsequenzierung bestätigt Vorkommen der britischen SARS-CoV-2 Variante in Schleswig-Holstein.

 

 

 

 

Covid-19-Risiko steigt bei Pollenflug

Fliegen viele Pollen in der Außenluft, kommt es zu erhöhten Infektionsraten mit SARS-CoV-2. Dies hat ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München mit einer breit angelegten Studie gezeigt. Angehörige von Hochrisikogruppen könnten sich durch das Beobachten von Pollenflugvorhersagen und ein entsprechendes Tragen von Staubfiltermasken schützen.

Für diese Studie wurden Daten aus der Pollenmessstation am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum genutzt. Diese Station wurde im Januar 2016 unter der Leitung von Dr. Nestor Gonzalez Roldan auf dem Dach der Medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel in Betrieb genommen, um das Pollenspektrum in der Region zu erfassen. Die Station zählt zu den wenigen Stationen im Norden Deutschlands, die die Pollenaktivität ganzjährig misst.

Pressemitteilung von der Technischen Universität München (TUM) vom 08.03.2021:

Im Frühjahr 2020 schien der Ausbruch der Corona-Pandemie in der nördlichen Hemisphäre mit den Flugzeiten der Baumpollen zusammenzutreffen. Diese Beobachtungen nahm ein internationales Forschungsteam zum Anlass für eine umfassende Untersuchung: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten herausfinden, ob es einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Pollenkonzentration in der Luft und Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 gibt.

Pollen beeinflussen als wichtiger Umweltfaktor die Infektionsraten erheblich

Unter der Federführung von Erstautor Athanasios Damialis sammelte das Team am Lehrstuhl für Umweltmedizin an der TUM Daten zu Pollenkonzentrationen in der Luft, zu meteorologischen Bedingungen und zu SARS-CoV-2-Infektionen – dabei wurden die Variationen der Infektionsrate von Tag zu Tag oder auch die Gesamtzahl positiv Getesteter berücksichtigt. In ihre Berechnung bezogen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch Daten zu Besiedelungsdichte und zu Effekten von Lockdowns ein. Die 154 Forschenden analysierten Pollendaten von 130 Stationen in 31 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten.

Das Team zeigte, dass luftgetragene Pollen im Durchschnitt 44 Prozent der Varianz der Infektionsraten erklären können – manchmal spielten hier aber auch Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur eine Rolle. An Orten ohne Lockdown-Regelungen stieg die Infektionsrate im Schnitt um vier Prozent, wenn sich die Anzahl der Pollen in der Luft um 100 pro Kubikmeter erhöhte. In manchen deutschen Städten beispielsweise kamen im Untersuchungszeitraum zeitweise pro Tag bis zu 500 Pollen auf einen Kubikmeter – was insgesamt zu einem Anstieg der Infektionsraten um mehr als 20 Prozent führte. Galten in den untersuchten Gebieten Lockdown-Regeln, halbierte sich die Zahl der Infektionen im Schnitt jedoch bei vergleichbarer Pollenkonzentration in der Luft.

Pollenflug schwächt Körperabwehr

Der Grund: Wenn Pollen fliegen, reagiert die Körperabwehr in abgeschwächter Form auf Viren der Atemwege, die verantwortlich für Schnupfen und Erkältungen sind. Wenn ein Virus in den Körper gelangt, produzieren infizierte Zellen üblicherweise Signalproteine – auch bei SARS-CoV-2. Diese sogenannten antiviralen Interferone rufen benachbarte Zellen dazu auf, ihre antivirale Abwehr zu verstärken, um die Eindringlinge in Schach zu halten. Außerdem wird eine ausbalancierte Entzündungsreaktion aktiviert, um die Viren zu bekämpfen.

Ist allerdings die Pollenkonzentration in der Luft hoch und werden neben Viren auch Pollen eingeatmet, werden weniger solcher antiviralen Interferone produziert. Auch die eigentlich heilsame Entzündungsreaktion wird beeinflusst. Wenn viele Pollen fliegen, kann die Zahl der Atemwegserkrankungen daher ansteigen – dies gilt auch für Covid-19. Dabei spielt es keine Rolle, ob Betroffene an Allergien gegenüber diesen Pollen leiden oder nicht.

„Man kann nicht vermeiden, luftgetragenen Pollen ausgesetzt zu sein“, sagt Stefanie Gilles, ebenfalls Erstautorin der Studie. „Personen, die zu Hochrisikogruppen gehören, sollten deshalb darüber informiert sein, dass erhöhte Pollenkonzentrationen in der Luft anfälliger gegenüber viralen Infekten der Atemwege machen.“ Athanasios Damialis betont: „Betrachtet man die Verbreitung des SARS-CoV-2, müssen Umweltfaktoren wie Pollen mit in die Rechnung aufgenommen werden. Das Wissen um diese Auswirkungen eröffnet neue Wege für die Prävention und Abmilderung von Covid-19.“

Staubfiltermasken schützen

Was also können Personen, die Risikogruppen angehören, tun, um sich zu schützen? Letztautorin Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin, rät, in den nächsten Monaten die Pollenflugvorhersagen zu Rate zu ziehen. Sie sagt: „Staubfiltermasken zu tragen, wenn die Pollenkonzentration hoch ist, kann das Virus und den Pollen gleichermaßen von den Atemwegen fernhalten.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Univ.-Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann
Direktorin Institut für Umweltmedizin
Technische Universität München & Helmholtz Zentrum München
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Dr. Athanasios Damialis
Gruppenleiter “Aerobiology”
Technische Universität München & Helmholtz Zentrum München
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PD Dr. Stefanie Gilles
Gruppenleiterin “Environmental Immunology”
Technische Universität München & Helmholtz Zentrum München
E-Mail: stefanie.gilles@tum

Originalpublikation:

A. Damialis, S. Gilles et. al.: Higher airborne pollen concentrations correlated with increased SARS-CoV-2 infection rates, as evidenced from 31 countries across the globe
In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), März 2021
DOI: 10.1073/pnas.2019034118

S. Gilles, C. Blume et al.:
Pollen exposure weakens innate defense against respiratory viruses.
Allergy. March 2020, 75(3):576-587.
DOI: 10.1111/all.14047